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Idealkonkurrenz zw. Grundrechten
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Aufgaben:
1.) Unter welchen Voraussetzungen spricht man von „Idealkonkurrenz“ zwischen Grundrechten?
2.) Definieren Sie den sachlichen Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I 1 GG)?
3.) Spielt die sittliche oder ethische Qualität der Meinung für die Eröffnung des Schutzbereichs eine Rolle?
4.) Sind auch Tatsachenbehauptungen durch Art. 5 I 1 GG geschützt?
5.) Wie ist zu verfahren, wenn eine sinnvolle Trennung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung im Rahmen einer Aussage nicht möglich ist?
6.) Was bedeutet das Attribut „allgemein“ in Art. 5 II GG?
7.) Welchen Schrankentyp verkörpern die „allgemeinen Gesetze“ in Art. 5 II GG?
8.) Was besagt die „Sonderrechtslehre“?
Lösungen:
1.) Idealkonkurrenz ist dann anzunehmen, wenn nicht der Tatbestand des einen Grundrechts alle Merkmale des anderen Grundrechts und zusätzlich besondere Merkmale enthält, wenn es sich also nicht um eine lex specialis handelt.
2.) Der Begriff “Meinungsäußerung” ist weit zu verstehen. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Entscheidendes Kriterium ist die Stellungnahme oder das Dafürhalten im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung oder einer sonstigen sozialen Kommunikation. Meinungen i.S. des Art. 5 I 1 GG sind deshalb (subjektive) Ansichten, Auffassungen, Überzeugungen, Wertungen, Urteile, Einschätzungen oder Stellungnahmen zu allen möglichen sachlichen Gegenständen und Personen. Dazu gehören auch „Werturteile über Werturteile“.
3.) Nein. Prinzipiell schützt Art. 5 I 1 GG nach Auffassung des BVerfG auch „wertlose“ Meinungen. Grund: Die Abgrenzung zwischen „wertvollen“ und „wertlosen“ Meinungen ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Eine Differenzierung nach der sittlichen oder ethischen Qualität der Meinungen oder ihrer Wirkung auf andere würde den umfassenden Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG weitgehend relativieren (BVerfGE 30, 336/347; BVerfGE 61, 1/7). Gerade die Subjektivität der Wertung soll geschützt werden.
4.) Tatsachenbehauptungen sind keine Meinungsäußerungen im strengen Sinn. Bei ihnen steht die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund. Sie können insoweit auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Dennoch hat das BVerfG einen Schutz von Tatsachenbehauptungen durch Art. 5 I 1 GG nicht von vornherein verneint. Bereits die Auswahl, Gewichtung und Darstellung von objektiven Tatsachen bringt nämlich regelmäßig eine wertende Stellungnahme und damit eine Meinungsäußerung zum Ausdruck. Zumindest wird das Mitgeteilte als mitteilenswert erklärt und insoweit bewertet. Das BVerfG hat deshalb den Schutz des Art. 5 I 1 GG auf Tatsachenbehauptungen erstreckt, die Voraussetzung für die Meinungsbildung sind, andererseits aber bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen den Grundrechtsschutz versagt.
5.) Ist eine sinnvolle Trennung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung im Rahmen derselben Aussage nicht möglich, muss nach Ansicht des BVerfG „die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte“ (BVerfG NJW 1994, 1779).
6.) Unstreitig ist, dass der Begriff der allgemeinen Gesetze in Art. 5 II nicht einfach die Abstraktheit und Generalität von Gesetzen, sondern eine bestimmte inhaltliche Qualität meint. Grund: Wären nur abstrakt-generelle Außenrechtsnormen gemeint, würde sich das Erfordernis der Allgemeinheit vollständig mit dem Verbot des Einzelfallgesetzes in Art. 19 I 1 GG decken und wäre daneben überflüssig. Ferner würden die allgemeinen Gesetze bei dieser Interpretation auch die sonstigen Schranken zum Schutze der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre mitumfassen. Der Vorbehalt der allgemeinen Gesetze wäre schlicht der einfache Gesetzesvorbehalt, obwohl er gerade anders formuliert ist als der einfache Gesetzesvorbehalt anderer Grundrechte.
7.) Die „allgemeinen Gesetze“ stellen nach h.M. eine qualifizierte Schranke dar.
8.) Allgemeine Gesetze dürfen sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche richten, sondern „dem Schutze eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen”.
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