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Verfassungsimmanente Schranken



Aufgaben:

1.) Welchen Zwecken dient die Verfassungsbeschwerde?

2.) Wer ist „jedermann“ im Sinne von Art. 93 I Nr. 4a GG?

3.) Was versteht man unter „verfassungsimmanenten Schranken“!

4.) Wie geht das BVerfG methodisch vor, wenn sich ein Ausgleich konfligierender Verfassungswerte nicht erzielen lässt?

5.) Ist der Schrankenvorbehalt des Art. 136 I WRV i.V.m. Art. 140 GG auf Art. 4 I/II anwendbar?

6.) Wie verhalten sich die „verfassungsimmanenten Schranken“ zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt?

7.) Weist Art. 4 II GG einen eigenständigen Schutzbereich auf?



Lösungen:

1.) Die Verfassungsbeschwerde dient nicht nur der Sicherung und Durchsetzung subjektiver Rechtspositionen, sondern auch der Einhaltung objektiven Verfassungsrechts. Sie ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf.

2.) Da die Verfassungsbeschwerde die Rüge der Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten bezweckt, ist „jedermann“ i.S. von Art. 93 I Nr. 4a GG jeder Beschwerdeführer, der selbst Grundrechtsträger ist und durch einen Akt der öffentlichen Gewalt überhaupt in seinen eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt sein kann.

3.) Unter „verfassungsimmanenten Schranken“ versteht man ungeschriebene Grundrechtsbegrenzungen, die zur Anwendung kommen, wenn unterschiedliche Verfassungsgüter beim Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheit miteinander kollidieren. Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande, auch uneinschränkbare Garantien (z.B. Art. 4 I/II GG) in einzelnen Beziehungen zu begrenzen. Konflikte lassen sich dabei nur lösen, indem ermittelt wird, welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat. Die schwächere Norm darf nur insoweit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muss in jedem Fall respektiert werden (vgl. BVerfGE 28, 260).

4.) Lässt sich ein Ausgleich der konfligierenden Verfassungswerte nicht erreichen, „so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat” (BVerfGE 35, 225 = „Lebach-Urteil”).

5.) Art. 136 I WRV i.V.m. Art. 140 GG drückt aus, dass die privat- und öffentl.-rechtl. Pflichten ungeachtet des Glaubens und Gewissens, der Religion und Weltanschauung eingefordert und durchgesetzt werden dürfen, und wirkt wie ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Allerdings hält das BVerfG eine Anwendung dieser Schranke auf Art. 4 I/II GG mit der vorbehaltlosen Verbürgung der Glaubens- und Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit für unvereinbar: Art. 136 I WRV wird von Art. 4 GG „überlagert“ (BVerfGE 33, 31).

6.) Da eine immanente Schranke lediglich den ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt des betreffenden Artikels, nicht aber etwa ein konkretisierendes, die Schranken nachziehendes und ausformendes Gesetz selbst ersetzt, und da nach dem rechtsstaatlichen Gebot des allgemeinen Gesetzesvorbehalts bei Eingriffen in Grundrechte stets ein Gesetz im formellen (oder materiellen) Sinn den „Eingriff“ legitimieren muss, hat eine grundrechtsrelevante staatliche Maßnahme im Bereich eines vorbehaltlos garantierten Grundrechts prinzipiell auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zu beruhen.

7.) Art. 4 II GG besitzt keinen eigenständigen Schutzbereich, wenn man die durch Art. 4 I GG gewährleistete Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit weit definiert, darunter also auch die sog. „äußere Freiheit“ fasst, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten (h.M.). Grund: Vermeidung von Schutzlücken. Wenn vom überzeugungsgeleiteten Handeln neben der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nur die Religionsausübung geschützt wäre, dann würde die Religion gegenüber anderen Gewissen und Weltanschauungen privilegiert. Dies passt schlecht zur Gleichsetzung von Religion und Weltanschauung in Art. 4 I, Art. 3 III 2 GG und Art. 137 II und VII WRV. Daher ist es verständlich, dass die in Art. 4 GG verankerten textlichen Unterscheidungen in der Rspr. des BVerfG nicht genau genommen werden.



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