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Schlichtes Misstrauensvotum



Aufgaben:

1.) Ist der Bundeskanzler im Rahmen eines Organstreitverfahrens parteifähig?

2.) Kann der Bundestag sich selbst auflösen?

3.) Nennen Sie Gründe die gegen die Einführung eines „Selbstauflösungsrechts“ für den Bundestag sprechen!

4.) Kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen?

5.) Was versteht man unter dem Begriff „Ressortprinzip“?

6.) Was versteht man unter einem „schlichten Misstrauensvotum“?

7.) Ist ein „schlichtes Misstrauensvotum“ gegen einen Bundesminister zulässig?

8.) Definieren Sie das Merkmal „unabweisbares Bedürfnis“ in Art. 112 Satz 2 GG!



Lösungen:

1.) Ja. Der Bundeskanzler wird zwar von § 63 BVerfGG nicht ausdrücklich als Antragsteller oder Antragsgegner genannt. Jedoch ist die dort enthaltene Aufzählung nicht abschließend. Vielmehr ist § 63 BVerfGG im Lichte von Art. 93 I Nr. 1 GG zu interpretieren und gegebenenfalls zu ergänzen. Danach sind alle obersten Bundesorgane parteifähig. Zu diesen obersten Bundesorganen im Sinne des Art. 93 I Nr. 1 GG gehört auch der Bundeskanzler; zumindest ist er „Teil“ des obersten Bundesorgans „Bundesregierung“ und in dieser Eigenschaft mit eigenen verfassungsrechtlichen Kompetenzen - Art. 64 I GG, Art. 65 Satz 1 GG - ausgestattet.

2.) Nein. Das GG hat dem Bundestag ein Selbstauflösungsrecht vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen, die während der Weimarer Republik mit dieser Möglichkeit gesammelt werden konnten, ausdrücklich versagt.

3.) Ein Selbstauflösungsrecht verleitet sowohl die Regierungsmehrheit als auch die Opposition dazu, sich bei grundsätzlich kontroversen Entscheidungen ihrer Verantwortung zu entziehen und diese dem Wähler zurückzugeben. Dadurch würde ein plebiszitäres Element in die Verfassung eingeführt, das mit dem repräsentativen System schwerlich vereinbar wäre.

4.) Der Bundespräsident kann den Bundestag nur in ganz bestimmten Krisensituationen auflösen. Das GG kennt zwei Fälle: Art. 63 IV 3 GG (keine absolute Mehrheit eines Kandidaten auf der dritten Stufe der Kanzlerwahl) und Art. 68 I 1 GG (Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, hat nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gefunden).

5.) Das „Ressortprinzip“ ist in Art. 65 Satz 2 enthalten. Den Ministern obliegt die politische Leitung und Verwaltung der einzelnen Geschäftsbereiche der Regierung. Sie haben insoweit innerhalb der vom Kanzler bestimmten Richtlinien der Politik einen selbständigen Verantwortungs- und Aufgabenbereich.

6.) Unter einem „schlichten“ Misstrauensvotum wird ein Beschluss des Bundestages verstanden, durch den dieser einem Minister sein Misstrauen ausspricht, ohne dass dies die Rechtspflicht zum Rücktritt oder zur Entlassung nach sich zieht.

7.) Nach herrschender Meinung ja. Denn die Bundesminister unterliegen ebenfalls der parlamentarischen Kontrolle. Die Kontrollbefugnis des Bundestags ist die Kehrseite der in Art. 65 Satz 2 GG niedergelegten Kompetenz der Minister zur selbständigen und eigenverantwortlichen Leitung ihrer Geschäftsbereiche im Rahmen der Richtlinien des Kanzlers. Jedes Mitglied der Regierung ist dem Bundestag auf Verlangen Rechenschaft schuldig (Art. 43 I GG) und muss – unabhängig von eigenem Verschulden – für ein Fehlverhalten in seinem Hause einstehen. Um dem Parlament aber die Möglichkeit zu geben, Kritik an der Geschäftsführung einzelner Minister unmissverständlich zu üben, billigt ihm die herrschende Meinung die Befugnis eines sog. „schlichten“ Misstrauensvotums zu.

8.) Ein unabweisbares Bedürfnis besteht nach Meinung des BVerfG dann, wenn „die vorgesehene Ausgabe sachlich unbedingt notwendig und zugleich zeitlich unaufschiebbar ist. Unabweisbarkeit ist demnach mehr als die ohnehin aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit folgende, sachlich zu verstehende Notwendigkeit; hinzukommen muss, um eine Inanspruchnahme einer im Gesamtsystem der Verfassung nur subsidiären ‘Notkompetenz’ rechtfertigen zu können, das Moment des Zeitdrucks. Nur, wenn eine Ausgabe ohne Beeinträchtigung schwerwiegender politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Staatsinteressen nicht mehr zeitlich aufgeschoben werden kann, besteht für sie ein unabweisbares Bedürfnis“ (BVerfGE 45, 1 ff. / 35 ff.).




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