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Abstrakte Normkontrolle
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Aufgaben:
1.) Können die politischen Parteien einen Anspruch auf Bildung einer Fraktion im Deutschen Bundestag aus Art. 21 I 1 GG ableiten?
2.) Bezeichnen Sie den Prüfungsgegenstand der „abstrakten Normenkontrolle“ nach Art. 93 I Nr. 2 GG!
3.) Definieren Sie den Begriff „Recht“ im Sinne von Art. 93 I Nr. 2 GG!
4.) Welche Unterschiede bestehen zwischen der Regelung des Art. 93 I Nr. 2 GG und § 76 BVerfGG mit Blick auf den „Antragsgrund“?
5.) Bezeichnen Sie den Prüfungsmaßstab, den das BVerfG bei der abstrakten Normenkontrolle anwendet!
6.) Beschreiben Sie kurz den Status der Parteien im Rahmen der Rechtsordnung!
7.) Ist der Staat dazu verpflichtet, die politischen Parteien finanziell zu fördern?
Lösungen:
1.) Nach einer Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur lässt sich aus Art. 21 I 1 GG ein Anspruch der Parteien ableiten, dass ihre Abgeordneten bei der Bildung von Fraktionen nicht behindert werden. Sie geht davon aus, dass der Verfassungsgeber eine Einflussnahme der politischen Parteien über ihre Abgeordneten auf das Parlament im Begriff des „Mitwirkens“ in Art. 21 I 1 GG miterfassen wollte. Nach Ansicht des BVerfG ist das Recht auf Fraktionsbildung ein essentielles Element des in Art. 38 I 2 GG wurzelnden Abgeordnetenstatus; es steht daher ausschließlich den einzelnen Parlamentariern zu und kann auch nur von ihnen geltend gemacht werden – und nicht etwa von den politischen Parteien, denen sie angehören.
2.) Den Gegenstand der Prüfung im Normenkontrollverfahren gem. Art. 93 I Nr. 2 GG bildet Bundes- oder Landesrecht. Kontrolliert wird, ob der zur Untersuchung unterbreitete Rechtssatz des Bundes- oder Landesrechts förmlich und sachlich mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Handelt es sich um Landesrecht wird außerdem geprüft, ob der Rechtssatz mit sonstigem Bundesrecht vereinbar ist. „Förmliche Vereinbarkeit“ bedeutet das rechtswirksame - insbesondere kompetenzgerechte - Zustandekommen der zu beurteilenden Norm. „Sachliche Vereinbarkeit“ bedeutet die inhaltliche Widerspruchsfreiheit der zu prüfenden Vorschrift im Verhältnis zur höherrangigen Norm.
3.) Unter „Recht“ im Sinne des Art. 93 I Nr. 2 GG wird jede Rechtsnorm des Bundes- und Landesrechts verstanden. Dazu gehören die verfassungsrechtlichen Bestimmungen dieser Rechtsordnungen genauso wie einfache (förmliche) Gesetze, fortgeltendes vorkonstitutionelles Recht, Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht und allgemeinverbindliche Tarifverträge.
4.) § 76 BVerfGG geht deutlich über den Wortlaut des Art. 93 I Nr. 2 GG hinaus, soweit er verlangt, dass der Antragsberechtigte Bundes- oder Landesrecht für nichtig hält. Das GG lässt in diesem Zusammenhang bloße Zweifel genügen. Außerdem müssen gem. Art. 93 I Nr. 2 GG die Zweifel nicht unbedingt beim Antragsteller selbst bestehen. Da ein einfaches Gesetz (hier das BVerfGG) den Inhalt der Verfassung nicht modifizieren oder derogieren kann, ist einer Falllösung der Wortlaut des Art. 93 I Nr. 2 GG zugrunde zulegen, wenn es auf diesen Punkt ankommt.
5.) Prüfungsmaßstab ist nach dem Wortlaut des Art. 93 I Nr. 2 GG für das Bundesrecht ausschließlich das Grundgesetz. Soll eine Norm des GG selbst kontrolliert werden, so kommen außerdem auch Regelungen und Grundsätze des sog. „überpositiven Rechts“ als Maßstab in Frage (str.). Bildet eine Vorschrift des Landesrechts das Untersuchungsobjekt, so wird es am GG und am „sonstigen Bundesrecht“ - einschließlich der untergesetzlichen Rechtsnormen des Bundes (vor allem Rechtsverordnungen) - gemessen. Art. 93 I Nr. 2 GG dient insoweit dem Schutz der Bundesrechtsordnung insgesamt gegenüber dem Landesrecht.
6.) Die Parteien sind keine Staatsorgane, sondern Gruppierungen, die sich im offenen Mehrparteiensystem frei bilden, aus eigener Kraft entwickeln und, gebunden an die Verpflichtungen des Art. 21 I 3, 4 GG, im Rahmen der freiheitlichen Grundordnung an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Wohl erfüllen die politischen Parteien eine ihnen nach dem GG obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe.
7.) Nein. Nach der jüngeren Rspr. des BVerfG müssen sich die Parteien ihren Charakter als Gruppierungen, die im gesellschaftlichen Bereich wurzeln, bewahren. Sie dürfen sich ihrer Basis in der Bevölkerung nicht entfremden und müssen sowohl politisch wie auch wirtschaftlich und organisatorisch auf Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben. Ein gegen den Staat gerichteter Anspruch der politischen Parteien auf finanzielle Unterstützung kann nicht aus Art. 21 I GG abgeleitet werden.
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