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Freiwilligkeit des Rücktritts bei Überlistung
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Aufgaben:
1.) Ist ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch auch dann noch möglich, wenn der Täter das von ihm erstrebte Primärziel erreicht hat?
Dazu folgender Fall
A möchte B einen Denkzettel verpassen. Er sticht ihm mit einem scharfen Messer in den Magen, wobei er den Tod des B billigend in Kauf nimmt. Anschließend entfernt sich A, der nicht damit rechnete, dass B an der Stichverletzung sterben könne, vom Tatort. B begibt sich zur Polizei, die ärztliche Hilfe herbeiruft. Ohne diese wäre B innerhalb von 24 Stunden gestorben.
Kann A mit strafbefreiender Wirkung vom Totschlagsversuch zurücktreten?
2.) Ist ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB bei Tatbeständen möglich, bei denen ein Handeln gegen den Willen des Rechtsgutträgers erforderlich ist, der Rechtsgutträger aber sein Einverständnis erteilt bzw. ist der Rücktritt in einem solchen Fall deswegen ausgeschlossen, weil ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt?
Lösungen:
1.) A könnte dann strafbefreiend vom versuchten Totschlag nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten sein, wenn er die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat. Zweifelhaft ist dies insofern, als der A das von ihm verfolgte Ziel, dem B einen „Denkzettel zu verpassen“ bereits mit dem Messerstich erreicht hatte.
Ob in einem solchen Fall, in dem der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat, ist umstritten:
1. Ansicht (BGH NJW 1990. 522 ff. und BGH NJW 1991, S. 1189ff.; Lackner, StGB, 20. Aufl. § 24 RN 12; Puppe JZ 1993, S. 361 ff.; Schall JuS 1990, S. 623 ff.; Herzberg, JuS 1990 S. 273). Dieser Ansicht nach ist ein strafbefreiender Rücktritt durch bloßes Nichtweiterhandeln nicht möglich:
Gründe: Wer alles getan und erreicht habe, was er sich vorgenommen habe, könne nichts mehr „aufgeben“. Da die konkrete „Tat“ mit dem Erreichen des verfolgten außertatbestandlichen Handlungsziels abgeschlossen sei, bedeute der Verzicht auf eine neue, anders motivierte Tat keinen Rücktritt von der davor begangenen versuchten Tat
2. Ansicht (BGH NJW 1993, S. 943 ff. und BGH GS NJW 1993, S. 2061)
Dieser Ansicht nach ist ein Rücktritt auch dann möglich, wenn der Täter sein außertatbestandliches Endziel erreicht hat, sofern er nur nicht weiter auf den tatbestandlichen Erfolg hinwirkt.
Gründe: Das Gesetz honoriere den Verzicht auf mögliches Weiterhandeln mit Straffreiheit und erschöpfe sich dabei seinem Wortsinn nach in der Forderung, ein bestimmtes äußerliches Verhalten zu erbringen. Für zusätzliche wertende Elemente sei bei diesem objektiven Merkmal des Rücktrittstatbestandes kein Raum. Außerdem sei es aus Gründen des Opferschutzes sinnvoll, dem Täter noch die Möglichkeit zu eröffnen, durch bloßes Nichtweiterhandeln Straffreiheit zu erlangen.
2.) Dies ist umstritten:
1. Ansicht (Eser in Sch-Sch, StGB, 24. Aufl. § 24 RN 9; Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts vom Versuch 1976, S. 328 u. a.)
Ein Teil der Lehre steht in einem solchen Fall auf dem Standpunkt, dass eine rechtliche Unmöglichkeit vorliege, die einer tatsächlichen Unmöglichkeit gleichzustellen sei. Rechtliche Unmöglichkeit liege vor, wenn bei Tatbeständen, deren Erfüllung ein Handeln gegen den Willen des Rechtsgutträgers voraussetzt, (bspw. Raub, Nötigung) das Tatopfer sein Einverständnis erteile. Entsprechendes sei anzunehmen, wenn die Einwilligung des Rechtsgutträgers nur vorgespiegelt wird, der Täter sie aber ernst nimmt.
2. Ansicht (BGH NJW 1993, S. 2188 ff.)
Nach Auffassung des BGH ist auch in einem solchen Fall ein Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB grundsätzlich möglich.
Grund: Während für den Täter bei Hindernissen im tatsächlichen Bereich eine in § 24 StGB vorausgesetzte Wahlmöglichkeit, die Tat mit Aussicht auf Erfolg weiter auszuführen oder sie aufzugeben, nicht bestehe, sei dies bei rechtlichen Hindernissen durchaus der Fall.
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