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Rechtl. Behandlung von ungeschütztem Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten
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Aufgaben:
1.) Handelt ein HIV-Infizierter, der ungeschützten Geschlechtsverkehr ausübt, mit Tötungsvorsatz?
2.) Handelt es sich bei dem HIV-Virus um Gift i.S.d. § 224 I Nr. 1 StGB?
3.) Nach welchen Rechtsfiguren kann der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten entfallen?
4.) Ist bereits die bloße Infizierung mit dem HIV-Virus eine Gesundheitsschädigung?
5.) Erfordert der Vergiftungstatbestand der gefährlichen Körperverletzung eine Gesundheitsbeschädigungsabsicht?
6.) Was versteht man unter Gift i.S.v. § 224 I Nr. 1 StGB?
7.) Was versteht man unter „anderen Stoffen“ i.S.v. § 224 I Nr. 1 StGB?
8.) Kann eine „Beibringung“ von Gift oder anderen Stoffen i.S. des § 224 I Nr. 1 StGB nur innerlich oder auch äußerlich erfolgen?
9.) Was sind „echte erfolgsqualifizierte Delikte“? Wann liegt demgegenüber ein unechtes erfolgsqualifiziertes Delikt vor?
Lösungen:
1.) Die heute h.M. verneint Tötungsvorsatz, da der Täter i.d.R. bewusst darauf vertraue, dass sich zumindest das Risiko tödlicher Spätfolgen nicht realisieren werde. Der BGH verweist auf die Hemmschwellentheorie, wonach der Tötungsvorsatz eine wesentlich höhere Hemmschwelle hat als der Gefährdungs- oder Verletzungsvorsatz.
2.) Ja: Bei übertragbaren, physiologisch wirkenden Krankheitsgiften (etwa Viren) handelt es sich um „Gift“ i.S.d. § 224 I Nr. 1 StGB.
3.) In Betracht kommen das „erlaubte Risiko“ und die „eigenverantwortlich gewollte und bewirkte Selbstgefährdung“. Das „erlaubte Risiko“ scheidet bei HIV-Infizierten nach überwiegender Ansicht aus. Die „eigenverantwortlich gewollte und bewirkte Selbstgefährdung“ kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschlechtspartner von der Infektion weiß.
4.) Ja: Nach überwiegender Ansicht (vgl. nur BGH MDR 1989, 274) ist bereits die bloße Infizierung mit dem HIV-Virus eine Gesundheitsschädigung, und zwar ungeachtet dessen, dass sich der Infizierte bis zum Ausbruch der Krankheit in der Regel völlig gesund fühlt.
5.) Nein: Im Rahmen des § 224 I Nr. 1 StGB genügt Eventualvorsatz hinsichtlich der äußeren Umstände des Qualifikationstatbestandes.
6.) Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen lediglich durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu schädigen vermag.
7.) Zu den „anderen Stoffen“ gehören namentlich alle, die nicht chemisch oder chemisch-physikalisch, sondern physikalisch oder thermisch wirken, z.B. gehacktes Blei, zerhacktes Glas, kochendes Wasser.
8.) Ein Teil der Literatur nimmt an, dass das Gift seine Wirkung im Innern des Körpers entfalten müsse (auch, wenn es durch eine äußerliche Anwendung „beigebracht“ wird, z.B. Bestreichen mit einer giftigen Salbe). Nach der h.M. genügt es, wenn das Gift die Gesundheit allein von außen her zerstört.
9.) Die echten erfolgsqualifizierten Delikte stellen eine gesetzliche Kombination zwischen vorsätzlicher Grundtat und ausschließlich fahrlässiger Erfolgsverursachung dar. Unecht ist diese Kombination dann, wenn der qualifizierende Erfolg vorsätzlich angestrebt wird. Für diesen Fall bedarf es der Fahrlässigkeitsprüfung - wie in § 18 StGB vorgeschrieben - nicht.
Lösungen:
1.) Die heute h.M. verneint Tötungsvorsatz, da der Täter i.d.R. bewusst darauf vertraue, dass sich zumindest das Risiko tödlicher Spätfolgen nicht realisieren werde. Der BGH verweist auf die Hemmschwellentheorie, wonach der Tötungsvorsatz eine wesentlich höhere Hemmschwelle hat als der Gefährdungs- oder Verletzungsvorsatz.
2.) Ja: Bei übertragbaren, physiologisch wirkenden Krankheitsgiften (etwa Viren) handelt es sich um „Gift“ i.S.d. § 224 I Nr. 1 StGB.
3.) In Betracht kommen das „erlaubte Risiko“ und die „eigenverantwortlich gewollte und bewirkte Selbstgefährdung“. Das „erlaubte Risiko“ scheidet bei HIV-Infizierten nach überwiegender Ansicht aus. Die „eigenverantwortlich gewollte und bewirkte Selbstgefährdung“ kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschlechtspartner von der Infektion weiß.
4.) Ja: Nach überwiegender Ansicht (vgl. nur BGH MDR 1989, 274) ist bereits die bloße Infizierung mit dem HIV-Virus eine Gesundheitsschädigung, und zwar ungeachtet dessen, dass sich der Infizierte bis zum Ausbruch der Krankheit in der Regel völlig gesund fühlt.
5.) Nein: Im Rahmen des § 224 I Nr. 1 StGB genügt Eventualvorsatz hinsichtlich der äußeren Umstände des Qualifikationstatbestandes.
6.) Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen lediglich durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu schädigen vermag.
7.) Zu den „anderen Stoffen“ gehören namentlich alle, die nicht chemisch oder chemisch-physikalisch, sondern physikalisch oder thermisch wirken, z.B. gehacktes Blei, zerhacktes Glas, kochendes Wasser.
8.) Ein Teil der Literatur nimmt an, dass das Gift seine Wirkung im Innern des Körpers entfalten müsse (auch, wenn es durch eine äußerliche Anwendung „beigebracht“ wird, z.B. Bestreichen mit einer giftigen Salbe). Nach der h.M. genügt es, wenn das Gift die Gesundheit allein von außen her zerstört.
9.) Die echten erfolgsqualifizierten Delikte stellen eine gesetzliche Kombination zwischen vorsätzlicher Grundtat und ausschließlich fahrlässiger Erfolgsverursachung dar. Unecht ist diese Kombination dann, wenn der qualifizierende Erfolg vorsätzlich angestrebt wird. Für diesen Fall bedarf es der Fahrlässigkeitsprüfung - wie in § 18 StGB vorgeschrieben - nicht.
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