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Verhaltensverantwortlichkeit
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Aufgaben:
1.) Wann bedarf es einer Kausalitätsprüfung im Polizeirecht?
2.) Erklären Sie kurz die „Theorie der unmittelbaren Verursachung“.
3.) Was verstehen Sie unter der „Theorie der rechtswidrigen Verursachung“?
4.) Kann eine Anlagegenehmigung (o.ä.) eine von der Anlage ausgehende Gefahr legalisieren mit der Folge, dass der Anlagebetreiber zur Gefahrenabwehr nicht in Anspruch genommen werden kann?
5.) Kann ein 13-jähriges Kind als Störer in Anspruch genommen werden?
6.) Wodurch wird das Ermessen hinsichtlich der Zustandsstörerauswahl begrenzt, wenn mehrere Störer in Anspruch genommen werden könnten?
7.) Aus welchem Grunde kommt es grundsätzlich auf Kausalitätserwägungen hinsichtlich der Frage, warum eine Gefahr entstanden ist, nicht an?
8.) In welchen Fällen verneint eine Minderheitsmeinung die Haftung eines Störers?
9.) Definieren Sie den Begriff des Zweckveranlassers.
Lösungen:
1.) Ausnahmsweise ist im Polizei- und Ordnungsrecht nach h.M. eine Kausalitätsprüfung erforderlich, wenn Handlung oder Zustand erst gemeinsam mit einer Umweltänderung die Störung herbeiführen. Zur Feststellung der Störereigenschaft bedarf es dann einer wertenden Kausalitätsbetrachtung; wobei jedoch umstritten ist, wie diese zu erfolgen hat.
2.) Die „Theorie der unmittelbaren Verursachung“ sieht nur das Verhalten als polizeirechtlich erhebliche Ursache an, das selbst unmittelbar die konkrete Gefahr oder Störung setzt und damit die Gefahrengrenze überschreitet. Mit dem Erfordernis der unmittelbaren Verursachung werden entferntere, lediglich mittelbare Bedingungen des eingetretenen oder drohenden Erfolges als polizeirechtlich irrelevant ausgeschieden. Ursachen sind allerdings dann beachtlich, wenn sie den Gefahrenherd in sich tragen. Dabei können zwei Fallgruppen unterschieden werden: Zweckveranlasser (Verhaltenshaftung) und latenter Störer (Zustandshaftung).
3.) Die „Theorie der rechtswidrigen Verursachung“ fragt, welcher Verursacher über die ihm durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen hinaustritt und sieht in ihm nur unter dieser Voraussetzungen den Verantwortlichen. Sie wird im neueren Schrifttum durch den Gesichtspunkt normativer Risikozuweisung ergänzt. Entscheidend ist danach, wem der einschlägige Normzweck die Verantwortung zuweist, dem Anlagenbetreiber oder der Allgemeinheit. Die Grenzen der Rechtsordnung sind abzuleiten aus den Schranken der Grundrechte, zivilrechtlichen Vorschriften (insbesondere § 906 BGB), öffentlich-rechtlichen Normen (z.B. Baurecht, Gewerberecht) und öffentlich-rechtlichen Genehmigungen.
4.) Bei wirksam erteilten Anlagen- oder Betriebsgenehmigungen lässt sich eine „Legalisierungswirkung“, die den Betreiber vor einer Inanspruchnahme aufgrund des allgemeinen Polizeirechts schützen könnte allenfalls aus Gegenstand, Inhalt und Umfang der konkreten Regelung des Gesamtbescheides herleiten (BVerwGE 55, 118/121). Grundsätzlich legalisiert eine solche Genehmigung nicht eine Gefahrenverursachung oder Störung, es sei denn, sie erlaubt ausdrücklich ein gefährdendes Tun. Dies ist aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar.
5.) Die Störereigenschaft ist unabhängig vom Verschulden, mithin auch von der Schuldfähigkeit. Aus diesem Grunde kann auch ein Kind zur Beseitigung einer Gefahr in Anspruch genommen werden.
6.) Aus Billigkeitsgesichtspunkten wird das Ermessen hinsichtlich der Störerauswahl dahingehend begrenzt, dass derjenige nicht in Anspruch genommen werden sollte, der selbst Opfer der Störung ist.
7.) Bei der Verantwortlichkeit des Störers geht es grundsätzlich um eine objektive Zurechnung, die unabhängig von Verschulden und dem damit verbundenen Unwerturteil ist. Sie muss aus praktischen Gründen an äußerlich eindeutige Kriterien anknüpfen.
8.) Eine Minderheitsmeinung verneint die Haftung eines Störers, wenn ganz außergewöhnliche Umstände (z.B. Tankwagenunfall) die Sache zur Störungsquelle gemacht haben oder eine Sache durch Dritte missbraucht wird; zumindest, wenn die Sache ausreichend vor Missbrauch geschützt worden ist (insoweit relativierend: VGH Mannheim DVBl. 1983, 41).
9.) Der Schöpfer einer Erstursache ist dann Zweckveranlasser und damit ordnungsrechtlich verantwortlich, wenn diese Ursache eine die Gefahrengrenze überschreitende Zweitursache auslöst, sofern es dem Veranlasser auf die Herbeiführung dieser Situation ankommt (subjektive Theorie). Nach anderer Auffassung stellt die Figur des Zweckveranlassers nicht auf subjektiv-intentionale Herbeiführungen ab. Entscheidend ist vielmehr der objektive Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang (BVerwG DVBl. 1965, 603). Entscheidend ist vielmehr der objektive Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang. Es kommt allein darauf an, ob aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten die erwartete Störung „nach Sätzen der Erfahrung eine naheliegende Folge (und nicht lediglich atypische Konsequenz) der an das Publikum gerichteten Handlung“ ist (objektive Theorie, OVG Lüneburg NVwZ 1988, 638).
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