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Organisationsgewalt
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Aufgaben:
1.) In welchem Verhältnis stehen Organstreitverfahren und abstrakte Normenkontrolle zueinander?
2.) Wie wirkt das Haushaltsgesetz im Sinne von Art. 110 II 1 GG?
3.) Warum wird der Haushaltsplan durch Gesetz festgestellt?
4.) Zu welchem Zweck wird die in Art. 112 GG i.V.m. § 37 BHO verankerte Ermächtigung zu überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben in der Staatspraxis genutzt?
5.) Definieren Sie den Begriff „Organisationsgewalt“!
6.) Was bedeutet „gouvernementale Organisationsgewalt“?
7.) Wem steht die „gouvernementale Organisationsgewalt“ zu?
8.) Ist die Organisationsgewalt des Bundeskanzlers dem Zugriff des Bundestages entzogen?
Lösungen:
1.) Organstreitverfahren und abstrakte Normenkontrolle stehen gleichberechtigt nebeneinander.
2.) Das Haushaltsgesetz ermächtigt die Exekutive, die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben zu leisten und die veranschlagten Einnahmen entgegenzunehmen. Seine Rechtsfolgen treten im organschaftlichen Rechtskreis zwischen Parlament und Regierung auf. Die Exekutive darf nur für die im Haushaltsplan näher bezeichneten Zwecke und nur in der dort für die einzelnen Zwecke bezeichneten Höhe Zahlungen leisten. Verboten sind ihr Ausgaben, für die Mittel nicht vorgesehen sind. Die Ausgaben dürfen außerdem die Höhe der vorgesehenen Mittel nicht überschreiten. Soweit das Haushaltsgesetz den Haushaltsplan feststellt, ist es reines Organgesetz und entfaltet keine Außenwirkung. (vgl. § 3 II HGrG: „Durch den Haushaltsplan werden Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben“). Das Haushaltsgesetz berechtigt oder verpflichtet den einzelnen Staatsbürger also nicht unmittelbar.
3.) Sinn der Gesetzesform ist es, dem Parlament ein umfassendes Ausgabenbewilligungsrecht einzuräumen und Möglichkeiten zu geben, die Staatstätigkeit zu begrenzen und global zu steuern.
4.) In der Staatspraxis wird Art. 112 GG i.V.m. § 37 BHO genutzt, um dem Bundeskanzler während der laufenden Legislaturperiode inmitten eines Rechnungsjahres - also auf der Basis des bereits verabschiedeten Haushaltsgesetzes - Kabinettsumbildungen und die Schaffung neuer Ministerien ohne Nachtragshaushalt (§ 33 BHO) zu ermöglichen.
5.) Organisationsgewalt ist „die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung oder Aufhebung von Gliedern und Organen durch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, ihrer Zusammenhänge und ihrer inneren Ordnung sowie durch ihre persönliche und sachliche Ausstattung“ (Wolff / Bachof, VerwR II, 4. Aufl. 1976, § 78 Ia).
6.) „Gouvernementale Organisationsgewalt“ bedeutet die Entscheidungsbefugnis über Umfang und Zuschnitt des Kabinetts sowie über sonstige Elemente seiner Organisationsstruktur.
7.) Nach herrschender Meinung ist der Bundeskanzler Inhaber der sog. „gouvernementalen Organisationsgewalt“. Diese Kompetenz wird als untrennbarer Annex des materiellen Kabinettsbildungsrechts begriffen, das gem. Art. 64 I GG dem Regierungschef zugeordnet ist. Der Kanzler ist also nicht auf Personalentscheidungen beschränkt; er kann darüber hinaus weitgehende organisatorische Maßnahmen treffen, um eine erfolgreiche Regierungsarbeit zu gewährleisten.
8.) Angesichts der herausragenden Stellung des Parlaments unter der Herrschaft des GG wird man nicht davon ausgehen können, dass die Organisationsgewalt des Kanzlers dem Zugriff des Bundestages gänzlich entzogen ist. Vielmehr sprechen gute Gründe dafür, dem Parlament aufgrund der rechtsstaatlich-demokratischen Variante des Gesetzesvorbehalts prinzipiell ein Zugriffsrecht auf diese Sphäre zuzubilligen. Jedoch findet dieses Zugriffsrecht des Bundestages wiederum seine absolute Grenze im Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 II 2 GG). Denn die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung“ voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (BVerfGE 67, 100 ff. / 139). Andernfalls wäre die erforderliche Aktionsfähigkeit und Flexibilität der Bundesregierung insbesondere zur Integration der sachlich-, personal-, partei- und koalitionspolitischen Interessen gefährdet. Mit diesen Vorgaben sind vereinzelte, punktuelle, gesetzgeberische Einflußnahmen auf die Regierungsorganisation – vor allem Kompetenzzuweisungen an bestimmte Ressorts – vereinbar.
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